Führung und der Umgang mit Unsicherheit

Moderne Zeiten sind unsichere Zeiten. ‚Nichts ist konstanter als der Wandel‘ galt zwar schon immer, doch befinden wir uns aktuell im Transformationsprozess vom Industriezeitalter zum Digitalen Zeitalter. Dieser Transformationsprozess wird durch die Coronakrise noch beschleunigt. Zusätzlich legt Corona die Schwachstellen im System offen und die weitere Entwicklung der Pandemie ist ungewiss.

Ungewissheit gefährtdet die individuelle Handlungsfähigkeit. Menschen brauchen ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit, Stabilität und Kontrolle, um handlungsfähig zu sein und sinnvoll mit den Anforderungen des Lebens umgehen zu können. Wir wollen daher möglichst schnell zurück zu Sicherheit und Handlungsfähigkeit. Dabei gehen Menschen unterschiedliche Wege. Sie können versuchen, die bekannten Gewissheiten wieder herzustellen: Bspw. in dem sie Veränderungen ausblenden („Das betrifft mich nicht“, „Covid 19 ist nicht schlimmer als eine Grippe“, „Ich weiß es besser“, „Die anderen sind schuld“). Oder sie reagieren proaktiv mit Neugier und Erforschen, um den unangenehmen Ungewissheitszustand aufzulösen. Dietrich Dörner nennt dieses Motiv das Kompetenzbedürfnis, „das Streben, immer besser mit neuartigen und herausfordernden Situationen umzugehen. Es erfordert allerdings, bewährte Routinen aufzugeben, Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen und (vermeintliche) Sicherheiten zu verlassen, um in bislang unbekannten Handlungsbereichen neue Erfahrungen zu sammeln und neue Handlungsmöglichkeiten zu erproben.“ So wurden wir durch Coron gezwungen, rascher auf digitale Kommunikation umzustellen und machten dabei bessere Erfarhungen als erwartet.

Die Wahrnehmung von Ungewissheit als bedrohlich oder als reizvoll (wie wir es vom ’sensation seeking‘ kennen) hängt davon ab, ob die individuelle Unsicherheitstoleranz unter- oder überschritten wird. Wenn Situationen nicht kontrollierbar oder vorhersehbar erscheinen, reagieren Menschen mit depressiven Gefühlen, Lerndefiziten, Motivationsverlust und Resignation. Umgekehrt führt das Erleben, Herausforderungen bewältigen, zu einer größeren Kontrollüberzeugung. So sind Menschen, die eine Anzahl nicht überfordernder Krisen in ihrem Leben bewältigt haben, widerstandsfähiger. Sie sind insgesamt zufriedener und weniger stressanfällig.

„Wer der Pandemie positive Aspekte abgewinnen kann oder gar Gelegeneheiten in ihr sieht, das Unvermeidliche akzeptiert und auch erkennen kann, wenn es ihm noch vergleichsweise gut geht, kommt besser mit der Krise lar.“ (Raffael Kalisch)

Unsicherheitstoleranz hängt zwar von der Persönlichkeit und dem kognitiven Stil ab, lässt isch aber beeinflussen und trainieren, indem wir:

  • Bedrohungen realistisch einschätzen, d.h. Gefahren nicht verharmlosen, aber uns auch nicht in Katastrophenszenarien verlieren.
  • Von der Lageorientierung zur Handlungsorientierung wechseln: Eine Situation zu analysieren ist wichtig. Lageorentierte Menschen neigen jedoch dazu, um die Situation und die Frage nach der Schuld zu kreisen. Deshalb ist es wichtig, in die Handlungsorientierung wechseln zu können: Welche Aspekte kann ich beeinflussen? Wer kann mir dabei behilflich sein? Was ist ein erster Schritt?
  • Kognition verändern: Anstelle von Glaubenssätzen wie ‚Ich kann sowieso nichts machen‘ mit Sätzen wie ‚Ich werde damit fertig‘ oder ‚Ich kann etwas tun‘ die eigene Kontrollüberzeugung stärken.
  • Aktiv werden: Wer aktiv Probleme angeht, wird weniger krank.

Führungskräften kommt in der aktuellen Situation eine zentrale Rolle zu. Nicht nur stecken wir mitten im ‚Corona Blues‘, auch steigt in vielen Bereichen die Arbeitsplatzunsicherheit. Und eine wahrgenommene Bedrohung des Arbeitsplatzes kann zu vergleichbaren gesundheitlichen Beschwerden führen wie ein realer Verlust. So können Führungskräfte in Zeiten von Ungewissheit für mehr Sicherheitsempfinden und Unsicherheitstoleranz sorgen:

  • Statt ’social‘ distancing für intensive und verlässliche Beziehungen sorgen
  • Gespräche mit Mitarbeitern auch über Belastungen und Sorgen führen und so das Gemeinschaftsgefühl stärken
  • Besonders sicherheitsorientierte Mitarbeiter dort abholen, wo sie sind und sie ermutigen, in keline Schritten Neus zu erproben. Dabei Überforderung vermeiden und Erfolge ermöglichen
  • Unterstützung anbieten und für gegenseite Unterstützung im Team sorgen, z.B. durch Tandems
  • Kooperation fördern: Welchen Aktionsplan können wir als Team gemeinsam aufstellen? Welche Prozesse können wir entwickeln und einführen, um die Probleme zu überwinden und unser Ziel zu erreichen?
  • Immer wieder für Struktur und Routinen, für Transparenz und Orientierung sorgen
  • Lösungs- und ressourcenorientierte Fragen nutzen
  • Für Perspektivwechsel sorgen: die Perspektive anderer Beteiligter einnehmen, auf positive Erfahrungen aus der Vergangenheit zurückgreifen, eine Perspektive der Zukunft fördern (wir werden wir die Situatiion in einem Jahr sehen, was werden wir gelernt haben…)
  • Religion und Spiritualität stärken die Psyche in Krisenzeiten. Die Wirkmechanismen von Glauben als Resilienzfakrtor können uns anregen: Wie können wir in unserem Team Gemeinschaft, Sinn und Bestätigung stärken? Vielleicht auch mal im Team über das reden, was Hoffnung. Generell stärkt eine sinnstiftende Führung erwiesenermaßen die Miarbeiter-Resilienz (Pia Geisler)
  • Humor fördern: Humor schafft Distanz, macht Probleme erträglicher und sogar schwarzer Humor kann ein Gefühl von Handlungsfähigkeit vermitteln.